An Anatomy of Melancholy

Di. 25.05.2021

20:00 UHR
Kammermusiksaal, Hochschule für Musik – Freiburg im Breisgau

Maximiliano Soto Mayorga - Konzept & künstlerische Leitung 

Kompass Ensemble & Nexus Quartett - Freiburg

ANATOMIE DER MELANCHOLIE 


Neue Musik und alte Musik - Zwillingsschwestern... Kurioserweise verbinden die Fachgebiete, die wir heute als "neu" und "alt" in der Musik kennen, ähnliche Welten: die Suche nach exzentrischen Klangfarben, Repertoires, Spielweisen, usw. Manchmal scheint die Neue Musik, eingetaucht im alten Traum der Avantgarde, eine uralte Tradition zu sein, älter als die Alte Musik selbst. Mal blicken sie in die Zukunft, mal in die Vergangenheit. Merkwürdig ist auch, dass sich beide Stile selten im gleichen Konzertprogramm treffen. Doch Jahr für Jahr finden sich neue Projekte, die es wagen, auf der Schwelle die beide Welten trennt zu wandern, ohne in der einen oder anderen zu sein. Dies ist der Zwischenraum, der uns interessiert. Das Kompass Ensemble (Neue Musik) und das Nexus Quartett (Barockmusik), beides neu in Freiburg gegründete Ensembles, schlagen einerseits die Begegnung von Repertoire aus verschiedenen Epochen vor, wobei Konzepte wie "Aufführung" durch einer experimentelle Konzertgestaltung hinterfragt werden, die Improvisation, Intertextualität und Aufträge für neue Werke integriert. Hin zu einer "historisch-irrenden" Interpretation “By this art you may contemplate the variation of the twenty-three letters, which may be so infinitely varied, that the words complicated and deduced thence will not be contained within the compass of the firmament; ten words may be varied 40,320 several ways.” Robert Burton – The Anatomy of Melancholy (1621) Wie finden wir die geheimnisvollen Verbindungen, die zwischen zwei Stücken liegen? Sollten wir sie vielleicht sogar er-finden? Als Heilmittel gegen Melancholie empfiehlt Burton das Studium der Geometrie und das Memorisieren von Texten als am effektivsten. Wenn wir die Kontemplation als eine Übung der Metonymie verstehen, können wir von einem eher winzigen Element ausgehen und uns der Wahrnehmung des Universums nähern - "ex ungue leonem" (richte den Löwen nach seinen Krallen). Wir müssen den Mut haben, die Hierarchie zu hinterfragen, in der das Konzept des unantastbaren, genialen Komponisten und der “historisch korrekten” Interpretation über allem steht. Wie schafft man einen Dialog zwischen dem Notenpapier, der Fantasie des Interpreten, und der Fragen unserer Zeit? Austauschen, spielen, improvisieren: eine Partitur buchstäblich "interpretieren" - ihre leeren Räume erforschen, ihre Tropen verwischen: uns selbst überraschen. Die größte Herausforderung, aber auch das großte Glück, ist das Fehlen einer a priori "Formel", die uns Erfolg verspricht. Nur im Ungewissen können wir den Geschmack des "Neuen" wahrnehmen.




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